30. September 2021

(Ein Tagebucheintrag aus meinem 19-Jährigen ich.)


Morgens schwimmen gehen, umgeben von silbern glänzenden Stahlgestellen, an den Wänden sehen glasige Augen auf mich herab, seit 100 Jahren melancholisch und wehmütig starrend. Ringsherum schwimmende Seelen, ihren Körper im Takt der Schwimmhalle bewegend. Allesamt in mechanischen Bewegungen; sie wissen, in welcher Rolle sie sich befinden, kennen die korrekten Verhaltensmuster, so auch ich. Hier lächeln, da nicht hingehen dürfen. Wir schweigen einander an, und die Schwimmhalle ist gefüllt von lächelnder Stille, die laut genug sind, um die Außenwelt zu bedecken.

Abends unseren Sternenhimmel angucken gehen, umgeben von einer sich wölbenden Kuppe. Eine moderne Beschäftigung, sehr beliebt. Gleichzeitig absurd wie wunderschön. Der sich wundernde Mensch, ahnungslos verträumt. Scheitern in unseren Versuchen, die Lücken unseres Wissens oder unserer Träume zu füllen. Kann mich nicht entscheiden — entweder entferne ich mich vom Weltgeschehen, bin frei, reglos. Oder ich versinke in all seiner Magie, ich gehe unter, ich ertrinke. 

Zwischen Morgen und Abend: Eine Unendlichkeit, ein ganzer Tag. Hier, in einem Café lesend (über Dharma, die Gleichgültigkeit, das Loslösen vom weltlichen Leid), dort lesend (über das wandernde Schloss, verträumte Liebe, Fantasiewelten und magische Zufluchtsorte), und gleichzeitig hier und dort in die Welt blickend. Ausgezehrt, aber auch erfüllt.


Morgens, abends und dazwischen: Glückseligkeit.


(Über meinen Tag)