Wie gehe ich mit Leid um? Jeder Mensch sollte es anstreben, Herr seiner Emotionen zu werden. Aber den Sinn dieses Satzes meine ich nicht im herkömmlichen Sinne.
Im herkömmlichen Sinne würde man vielleicht denken, dass “der Herr seiner Sinne” eine gewisse totale Kontrolle impliziert, wie es das Wort “Herrschaft” indiziert. Dies müsste aber heißen, dass die sogenannte Vernunft Kontrolle übernimmt, dass das Bewusstsein das Irrationale rationalisiert. Das ist jedoch der große Fehler des modernen Menschen. Gefühle müssen von der Instanz kontrolliert und analysiert werden, aus der sie entstammen. Ob es das Unterbewusstsein ist, oder etwas Göttliches, gar Mystisches. Genau das möchte ich werden — Herr meiner mystischen Emotionen — mithilfe meiner eigenen Göttlichkeit. 

Leid möchte ich als mein eigenes Kind betrachten, ein elendes, vielleicht hasserfülltes oder wütendes Kind, um das man sich sorgen muss. Woher kommt das Leid, diese seelischen Qualen? Vielleicht ist diese Frage genauso nutzlos wie das Fragen nach der Quelle des Wassers — oder der des Lebens. 

Aber eine einfachere Frage ist vielmehr die Frage des Umgangs als des Ursprungs. Das Leid müssen wir personifizieren und wie ein Kind behandeln, das sich seines Umfelds nicht völlig bewusst ist. Es ist sich nicht im rationalen Sinne bewusst, aber es sich sich seiner Sinnlichkeit, Emotionalität und Göttlichkeit bewusst. Ein Schritt nach der Personifizierung des Leides kommt die Vorstellung des Leides. Du kreierst eine Persönlichkeit mit einer eigenen Geschichte, mit seinen eigenen Facetten, die du nicht mit deiner Rationalität erklären kannst. Die Kreation kommt aus dem Irrationalem. Du kannst viele Kinder kreieren, alle mit einer eigenen Persönlichkeit. Und wenn du leidest, denk' an die mystische Masse, aus der dein Leid entstammt, und die eigene Persönlichkeit, die es mit sich bringt.

Und mein Kind spricht:

"Wenn ich die Augen schließe, dann sehe ich es. 

Ich sehe, wie die Welt in all seine Einzelteile zerfällt, die Fäden, die diese Teile zusammenhalten, dünn wie Seide sind. Wir werden wie Marionetten von diesen seidenen Fäden gespielt, trotzdem tanze wir im Wind, als spürten wir nichts. 

Alles fällt auseinander und ich bin so wach wie noch nie. Aber ich bin müde und will schlafen. Die Sonne meiner Seele verbrennt meine Haut und ich kann mich nicht vor ihr verstecken. Es gibt keine Höhle auf dieser Welt, in der ich Schatten finde. Meine Augen sind müde, aber es ist zu hell draußen.

Auf dieser Welt gibt es nicht vieles, das mir Trost spendet. Ich kann nur meine Rolle weiterspielen und warten, bis das Feuer meiner Sonne sich selbst auslöscht. 

Aber Mama, in mir herrscht auch tiefe Nacht. Sie ist pechschwarz, und vor ihr kann ich genauso wenig entrinnen. Es ist der Durst nach ewigem Leben, und gleichzeitig die ewige Abkehr dessen. Zwischen Leben und Nicht-Leben, sie sind Teil derselben Materie, ist zuerst ein Riss entstanden, der sich nun in eine Schlucht verwandelt hat."